2011-10-27

『音楽と数学』でセイレーン神話を実証的に検証し、ポジターノの沖合、「セイレーンの島」と呼ばれるガッリ諸島である実験をした

フリードリッヒ・キットラー、2011年10月18日没

「ムーサ、ニンフ、そしてセイレーン」CD(ドイツ語)
Musen, Nymphen und Sirenen
mit Friedrich Kittler
Konzeption und Regie: Klaus Sander
Erzähler: Friedrich Kittler
Aufnahme und Schnitt: Anja Theismann
Mastering: Piethopraxis Tonstudio Köln
Produktion: supposé 2005

Audio-CD, 56 Minuten
ISBN-10: 3-932513-64-9
ISBN-13: 978-3-932513-64-0
Euro 18,00

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"Zwei Münder vereinigen sich zu einer schönen Sangstimme. Weil sie
alles wissen und weil sie alle Lust versprechen,die möglich ist, soll
Odysseus das Schiff anlegen, an der Insel. Das sind die beiden
Sirenen,die in der späteren ikonographischen Tradition auf den Vasen
immer drei sind und immer schreckliche Mischwesen: oben Jungfrauen mit
Busen, unten Krallen und Vögel - bei Homer sind es einfach zwei schöne
Nymphen."
Friedrich Kittler betreibt experimentelle Philologie, bereist die
Sireneninseln und verlebendigt so die Geschichte des Odysseus. Er
erzählt von den honigsüß summenden Stimmen der Frauen, der Geburt der
Musen, den Ausschweifungen Kirkes, läßt Göttinnen auftreten, Huren und
Nymphen - über allem aber schwebt Musik und die Erotik der
Mathematik... Es geht um Verzauberung und die Grausamkeit der
Verführung, um das "Lächeln im unsterblichen Gesicht" (Sappho) und das
Fortdauern des Namens durch die Zeiten, bis er heute seinen Eintrag im
"Sprechbuch" findet. Kittler beschwört unser griechisches Erbe,den
Ursprung aller Wissenschaften.

Prof. Dr. Friedrich Kittler, geboren 1943, Literaturwissenschaftler
und Inhaber des Lehrstuhls für Ästhetik und Geschichte der Medien am
Institut für Ästhetik der Humboldt-Universität zu Berlin.

Stimmen der Kritik:

"Der Berliner Kulturwissenschaftler Friedrich Kittler ist nach Italien
gereist, auf die Sireneninseln, und hat dort, wie er behauptet, die
Philologie nach 2800 Jahren endlich einmal auf eine experimentelle
Basis gestellt 'statt immer nur auf eine Textwichserei'." (Berliner
Zeitung)

"Das Hörbuch ist die Einführung des Punk in die deutsche Philosophie
beziehungsweise Philologie. Kittler liest keinen wohl formulierten
Text stur betont daher, er erzählt, was ihn an Odysseus, den Sirenen
und dem griechischen Denken fasziniert und warum er sich auf die Reise
der Empirie begeben hat. Man sollte das Kennzeichen "Punk" hier aber
nicht mit den berühmten drei Akkorden, die endlos hintereinander
geschrammt werden, verwechseln. Kittler ist überaus belesen, der
griechischen Sprache so mächtig, daß er bekanntere Philosophen wie
Theodor W. Adorno oder Michel Foucault in Nebensätzen als Laien der
griechischen Sprache entlarvt. Kittlers technische Fähigkeiten sind
die eines Jazzmusikers, um im Musikbild zu bleiben, dem auch nach 56
Minuten Spiel die machbaren Ideen nicht ausgehen. Punk meint vielmehr
im Zusammenhang dieses großartigen Hörspiels, das es erlaubt, einem
Denker bei seiner Arbeit zuzuhören, daß er mit dem geprochenen Text
des Hörspiels hinter die geschliffene Schrift zurückgeht, oder auch
die Art und Weise, wie er das Einfache, das Klare griechischen Denkens
unter dem Schleier von 2000 Jahren christlicher Verblendung
hervorholt." (Cord Riechelmann, mare)

"Lust und Wissen sind für Friedrich Kittler eins, weshalb er die
Wissenschaft wieder erotisieren will - ein Unterfangen, bei dem man
nur viel Glück wünschen kann. Jedenfalls ist es ein Vergnügen, Kittler
über den im Griechischen versagenden Adorno spotten oder ein Fragment
Sapphos interpretieren zu hören. Mit Alexander Kluge gesprochen: Für
alle Neu- wie Altgierigen: ein Muß!" (Knut Cordsen, Bayern 2 Radio)

"Das Hörbuch, auf dem er mit hörbarer Begeisterung Sapphos einziges
vollständig erhaltenes Gedicht rezitiert, führt vorzüglich in Kittlers
Griechenland ein." (René Aguigah, Literaturen)

"Kittler zitiert, rekapituliert, rekonstruiert, ja, er reanimiert die
Geschichte des Odysseus und die ihn umschwirrenden Gestalten wie die
Nymphen und die Sirenen. Auf seiner Reise zu den Sireneninseln dringt
Kittler mit scharf geschliffenem Bohrer direkt ins Hirn der
altertümlichen Literatur ein, die, so sein Credo, in der griechischen
Variante das Erbe aller Menschen und den Ursprung der Wissenschaften
in sich trägt. Er hat die Angst vor der Berührung mit den hehren
Künsten des Altertums und seiner nachfolgenden Protagonisten
entheiligt. Alleine deshalb lohnt es sich schon, ihm eine Stunde lang
zuzuhören." (Klaus Hübner, Jazzthetik)

"Mit diesem Sprechbuch, wie Kittler es nennt, geht er hinter die
geschliffene Schriftsprache zurück, zum mündlichen Erzählen, woraus
alle Literatur entstanden ist. Anders als sein Kollege Peter Wapnewski
mit seinen Nacherzählungen des Nibelungenlieds und anderer
mittelalterlicher Epen, liest Kittler keinen wohl formulierten Text
ab. Er strolcht auf Seitenwegen durch die griechische Mythologie und
erzählt gegen jeden Lehrplan, was ihn an den griechischen Helden,
ihren Göttern und dem antiken Denken fasziniert. Beiläufig, im
Konversationston, plaudert er vor sich hin, zündet sich eine Zigarette
an, trinkt, verfertigt hörbar die Gedanken beim Reden, gönnt sich
Pausen, ganz so, als säße er am Tisch unter Freunden. Geschliffen
Scharfes mischt sich mit krausem Kauderwelsch. Dabei geht es um nichts
weniger als um die griechische Variante des Erbes der Menschheit und
den Ursprung der Wissenschaften. Es ist amüsant, man fühlt sich gut
unterhalten. Kittler benimmt sich wie ein Archäologe, der ein paar
Scherben gefunden hat, und so tut, als ließen sie sich zu einer Tasse
zusammensetzen. Am Ende steht da ein ganzes Service, man schmeckt
förmlich die Getränke, hört die Gespräche, sieht ganze Gastmähler vor
sich. Das ist fröhliche Wissenschaft!" (Edelgard Abenstein,
Deutschlandradio Kultur)

"Einer der aufregendsten Denker dieser Tage ist der Berliner
Medien-Professor Friedrich Kittler, dessen aktuelles Projekt den
Sirenen gilt. Die Medienwissenschaft werde ihm langsam langweilig,
erklärt er auf Musen, Nymphen und Sirenen. Vor einiger Zeit reiste
Kittler nach Italien, um nachzuweisen, dass Odysseus an der Insel der
Sirenen nicht nur vorbeischipperte, sondern dortselbst an Land ging.
Und davon erzählt er nun in angenehm plauderndem Tonfall, als säße man
bei Wein und Zigaretten am Tisch und machte sich mit ihm einen schönen
Abend. Kittlers intellektuelle Verve, seine Graecomanie und sein
Talent zum blitzenden Kurzschluss sind über die Maßen faszinierend."
(Katrin Schuster, Freitag)